Herren von Dachsberg

Nach dem Sturz der Kuenringer erfolgte die Übernahme der Herrschaft Rappottenstein durch die aus Oberösterreich stammenden Dachsberger (1305). Nach dem jähen und tragischen Absturz dieses mächtigen Zweiges der Kuenringer konnte endlich Rappottenstein den Nachkommen jener Berta von Eggenburg, den Herren von Dachsberg, als den rechtmäßigen Besitzern übergeben werden. Diese blieben bis 1423 die Herren der Burg.
1305 verglichen sich die Brüder Wolfger, Heinrich und Ulrich von Dachsberg mit dem Stifte Zwettl wegen Gütern in „Plezperch, Zaglawe, Schafperch und Poeseweissenbach“ (= Klein Weißenbach), indem sie dem Stifte „ihre Rechte in diesen Dörfern gegen ein jährliches Frohmahl abtraten“. Daraus geht klar hervor, dass in diesem Jahre (1305) die Dachsberger, die in ihrem Wappen einen Dachs führten, Besitzer von Rappottenstein waren. Hatten sie im Jahr ihrer erstmaligen urkundlichen Erwähnung noch das beste Einvernehmen zum Stift herzustellen gewusst, zeigten sie sich bereits fünf Jahre später, 1310, von einer ganz anderen Seite: In diesem Jahr entrissen sie nämlich den Meloner Zisterzienserinnen, die allerdings das Kloster bereits verlassen hatten und nach St. Bernhard bei Horn übersiedelt waren, ihren nicht unbeträchtlichen Besitz in Melon und auch das Patronat der Pfarre Rappottenstein. Das Stiftungsbuch von St. Bernhard beschwert sich in diesem Zusammenhang darüber, dass die Herren von Dachsberg die Notlage der Nonnen benützt hätten, die Besitzungen des Ordens in Melon für einen viel zu geringen Kaufpreis an sich zu reißen.
1327 scheint Ulrich von Dachsberg als alleiniger Besitzer von Rappottenstein auf. Er gab in diesem Jahre „mit gutem Willen seiner Hausfrau Euphemia und den Kindern seines Bruders Heinrich, nämlich Eberhart, Wolfker, Elspet und Clara, dem Stifte zu Zwettl 5 Pfd. Pfen. Und 17 Pfen. Geldes an Michälidienst“. Dafür sollte jeder Herr und Bruder jährlich ein Frohmahl erhalten, dessen Zusammensetzung der Stifter folgendermaßen festsetzte: Jeder soll jährlich einmal erhalten: 3 Stück guter Fische, und zwar ein Hausen-, ein Karpfen- und ein Hechtenstück, überdies eine Pfennigsemmel, 3 Eier, 1 Krapfen und 1 Maß guten Weines aus des Abtes Keller. Als Gegenleistung verlangte der Dachsberger, dass seiner im Gebete gedacht werden solle. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass mit dieser Stiftung eine gewisse Wiedergutmachungsabsicht hinsichtlich des den Zisterzienserinnen von Melon vom Stifter und seinen Brüdern angetanen Unrechts verbunden war.

Nun wird es wieder schwierig, die Besitzer der Burg Rappottenstein festzustellen; denn die nächste Urkunde, die uns erhalten ist, stammt aus dem Jahre 1371. Es erscheint als gewiss, dass in der fraglichen Zeit von 1327 bis 1371 ein oder mehrere Dachsberger urkundlich nicht belegt sind. In einer Urkunde aus dem Jahr 1330 scheint zwar ein Heinrich von Rapoltstein (= immer wieder auftauchende Form für Rappottenstein) als Zeuge bei dem Freundschaftsbund des Königs Johann von Böhmen mit Herzog Albrecht II. und Herzog Otto von Österreich auf, doch ist es nicht möglich, diesen Mann in die Reihe der Besitzer der Burg Rappottenstein einzuordnen.
1371 teilten des „Wolfgang von Dachsbergs Söhne, Heinrich und Gundacker, sowie auch die Söhne des verstorbenen Eberhard von Dachsberg, Wolfgang, Ulrich und Hanns, sich in die Vesten Dachsberg, Arbaisbach, Rapottenstein, Antschau samt Zugehör, darunter auch Perchtenschläger Wald und Besitzungen im Reut Veldt. Zugleich stellten diese Erben ihrer Verwandten Anne, Hausfrau des Rudiger von Starhemberg, einen Schadlosbrief aus“. Rappottenstein war also wieder einmal, wie so oft in seiner Geschichte, Eigentum mehrerer Besitzer.
Im Jahre 1371 besaßen die Dachsberger bereits das Kirchenlehen zu Schönbach. Ebenso war Trewenstein (Traunsein) ein Ort unter der Herrschaft Rappottenstein. 1378 ließ Georg von Dachsberg, der verheiratet war mit Williburg von Kapellen, die Burg umbauen und vergrößern. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Burgkapelle in den romanischen Bergfried eingebaut. Die Reliquienkapsel in der Altarmensa trägt noch das Siegel des Weihbischofs von Passau, Blasius, (Eps. Millensis, also von Milo), der am 25.1.1379 die Weihe des Altars vollzog. Nach der in Maissau noch vorhandenen Urkunde wurde die Burgkapelle den Heiligen Pankraz und Georg geweiht.
In der Folgezeit kümmerte sich der Dachsberger um seinen Besitz Rappottenstein herzlich wenig. So konnte es geschehen, dass sich die von ihm eingesetzten Pfleger bald als Herren der Burg gebärdeten. Besonders die seit 1380 als Verwalter aufscheinenden Pillung von Siegharts waren mehr auf ihren eigenen Vorteil als auf den ihres Herren bedacht. Schließlich eignete sich ein Pitzlin der Pillung sogar die Burg und einige Güter der Herrschaft an.
Besonders arg trieb es aber sein Sohn Jakob Pillung. Er wird als gewalttätiger Mann beschrieben und brachte durch einen Raub unglaublichen Ausmaßes das Stift Zwettl an den Rand des Ruins: 1383, am 26. Juli, überfiel er mit 37 seiner gefürchteten Raubgesellen den Hof Retschen (heute Ratschenhof), der damals noch Stiftsbesitz war, und raubte dort „1.300 Schafe, 34 Ochsen, 60 Kühe, Kälber und Stiere, 30 Ziegen und 37 Pferde“. Dass im verhältnismäßig kleinen Ratschenhof einmal eine so große Anzahl von Schafen gehalten wurde, erscheint unwahrscheinlich. Im Stift Zwettl zweifelt man aber nicht an der Richtigkeit der vom ehemaligen Abt Link in seinen „Annalen Claravallenses“ angeführten Zahlen, da sich Link ja ausschließlich auf vorhandenes Aktenmaterial stützte.

Die ganze Raubgeschichte hat aber noch eine Pointe, die ein bezeichnendes Licht auf die tristen Zustände in der damaligen Zeit wirft: Das Stift, um seine ganze Schafzucht und damit um den Rohstoff für seine „Bekleidungsindustrie“ gebracht, sah sich gezwungen, dem Räuber einen Teil der Tiere gegen Bargeld abzulösen. Der Handel kam zu Stande, und Jakob Pillung steckte für 300 Schafe, die er dem bestohlenen (!) Stifte verkaufte, 80 Talente ein. Da er aber, wie von ihm kaum anders zu erwarten war, die schwächsten Tiere aussuchte, gingen die meisten davon ein, als sie das Stift wieder übernommen hatte. Sicher werden die Schafe von dem Räuber auch kaum sehr gut behandelt worden sein.
Die Familie Pillung trieb es schließlich so arg, dass auch die Dachsberger, nach wie vor rechtmäßige Eigentümer der Burg, sicher deshalb manchen Vorwurf werden einstecken haben müssen. Obwohl sie aus eigener Kraft nicht dazu im Stande waren, die Pillungs aus der Burg zu vertreiben, gaben sie ihre Zustimmung, dass Herzog Albrecht den Versuch unternehmen solle, die Festung Rappottenstein dem Niklas Pillung mit Waffengewalt zu entreißen. Die entsprechende Urkunde wurde von Heinrich Dachsberg am 24. September 1383 ausgestellt.
Falls der Herzog Erfolg hätte, so wurde in den Abmachungen bestimmt, sollten „Albero von Puchheim und der Hofmeister Hanns von Lichtenstein bestimmen, was ihm (dem Dachsberger) der Herzog für seine Rechte auf die Veste zu leisten habe“. Am 7. Februar 1384 kam es schließlich zu einem Vergleich, in dem der Herzog zwischen Niklas Pillung und Heinrich von Dachsberg wegen der Veste Rappottenstein entschied.
Ganz gaben sich die Pillungs aber noch immer nicht geschlagen, denn es dauerte noch volle 24 (!) Jahre, bis sie allen „Ansprüchen“ auf Rappottenstein entsagten. Erst 1408 räumten Jakob Pillung zu Sigharts, seine Brüder Niklas der Jüngere und Stephan die zur Veste Rappottenstein gehörigen Güter und Gründe, die ihr Vater Pitzlin der Pillung gewaltsam den rechtmäßigen Besitzern entrissen hatte, dem Georg von Dachsberg ein und entsagten allen Ansprüchen darauf.
Nach 1384 saßen also wieder die Dachsberger auf ihrem Besitz Rappottenstein und gelangten bald zu großem Ansehen. Jörg (Georg) von Dachsberg, 1399-1402 auf Rappottenstein nachweisbar, dessen Wappen noch heute die Wand eines der vielen Zimmer ziert, war Marschall von Österreich und gehörte zu den vom Herzog ernannten „Geräumeistern“. Als solcher zog er im Lande umher und machte mit dem Raubgesindel kurzen Prozess, indem er alle, die ihm von der gepeinigten Bevölkerung als Räuber und Diebe bezeichnet wurden, ohne großes Federlesen aufknüpfen ließ. So schaffte er es, dass in seinem Wirkungsbereich bald Ruhe und Ordnung einkehrten.

Dem vorbildlichen Verhalten dieses Mannes dürfte es auch zu verdanken sein, dass die Herzöge Wilhelm und Albrecht am 29.1.1401 den von Ulrich von Dachsberg für die Hilfe gegen die Familie Pillung an Albrecht III. seinerzeit „über die Pfandschaft der Veste Rapotenstein und 3000 Pfd. Pfen. ausgestellten Lösungsrevers“ vernichteten. Vielleicht mochte ihnen der Umstand, dass die Pfandschaftsurkunde unauffindbar war, ihren Entschluss erleichtert haben!
Nachdem die Dachsberger nun schon wieder einige Zeit unumschränkte Herren auf Rappottenstein waren, erhielten Ulrich von Dachsberg, sein Sohn Jörg und ihr Vetter Jörg den Besitz zum Lehen (1401). Dieser Vetter dürfte ein Sohn des 1371 genannten Gundakar von Dachsberg gewesen sein. Er war der Letzte seines Geschlechtes auf Rappottenstein. Von 1402 bis 1415 (1423) war Jörg (Georg) von Dachsberg Besitzer von Rappottenstein, dessen Ehe nur eine Tochter, Anna, entspross, die mit Rüdiger III. von Starhemberg vermählt war. Da Jörg von Dachsberg keinen männlichen Nachfolger hatte, vermachte er Rappottenstein testamentarisch seinen beiden Enkeln Gundakar und Caspar von Starhemberg, den Söhnen seiner Tochter Anna. Dieses Testament, 1406 errichtet, wurde von Jörgs Vetter Hanns, nicht aber von Ulrichs Tochter Kunigunde, Frau des Heinrich von Pottendorf, anerkannt, die erst 1415 in dieses „Vermächtnis der Güter Rapotenstein, Arbaisbach, Wolfgerstorff und Dachsperg“ einwilligte. (Plesser entnahm diese Angaben Urkunden des k.k. Haus-, Hof- und Staatsarchives).
Georg von Dachsberg sühnte auch noch das Unrecht, das von Rappottenstein aus seinerzeit dem Stifte Zwettl zugefügt worden war: Als er 1408 durch den endgültigen Verzicht der Pillung wieder die ganze Herrschaft besaß und zu Wohlstand gelangt war, ließ er „1410 dem Stifte Zwettl 1000 Pfd. Pfen., die es ihm schuldete, nach und gab ihm auch die versetzten Gülten und Güter zurück, nämlich den Hof zu Haipach (Heubach) mit Zugehör, phening gult, magegelt (Mohngeld) und traidgeld, das Dorf Spretniz (Sprögnitz), Rotnrait, Schonaw, Grozzenweizzenbach, Gülten und Güter zu dem Götfrits und in dem Amt zu de Ocze (Etzen).“ Dafür sollte das Stift diese Güter ohne seinen Willen nicht mehr versetzen oder verkaufen dürfen und ihm und seinen Erben als „vogt dinst zu ihrer vest gan Rapotnstain zwei Muth Hafer zwetlermazz“ geben, solange sein Geschlecht besteht; und auch zwei Jahrtage (soll das Stift) für sein Geschlecht abhalten lassen mit nächtlicher Vigil und 16 Messen am Morgen, nämlich am Montag nach dem Sonntag Invocavit und am Montag nach dem Quatembersonntage im Herbst. Den Herren und Brüdern soll an beiden Tagen die Pfründe verbessert werden.

Plesser schreibt weiter: „Noch heute werden für die Herren von Dachsberg jährlich 25 Messen gelesen“. Da er diese Feststellung vor mehr als 50 Jahren traf, fragte ich beim Pfarramt, Stift Zwettl nach, ob diese Messen auch heute noch gelesen werden. Tatsächlich finden sich unter den mehr als 200 Messen, die noch heute als Stiftungsmessen jährlich von den Mönchen des Stiftes Zwettl zelebriert werden, 12 mit festem Termin, 13 zu freiem Termin, zusammen also 25 Messen, die seinerzeit von den Dachsbergern gestiftet wurden und heute vom Kammeramt des Stiftes mit dem Pfarramt verrechnet werden.

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